Olympiatagebuch Rio 2016 Teil 6 – Jesus Christ Superstar
Mit dem sechsten Teil hat es etwas gedauert, jedoch waren die letzten Tage mit den sehr wichtigen Vorrundenspielen und den gestrigen Viertelfinalpaarungen sehr intensiv. Um es kurz zu machen, mit dem gestrigen Viertelfinale USA – ARG hatte ich bereits das achte Spiel in meinem Rio-Rucksack und ich bin persönlich mit mir im Reinen, obwohl es natürlich in jedem Spiel Kleinigkeiten gab, die hätten besser laufen können. Ab jetzt ist alles Bonus, da mit den Halbfinals und den Finals (Frauen und Männer) nur noch sechs Spiele – die Halbfinals der Frauen sind bereits angesetzt und ich habe heute frei – mit 18 Schiedsrichtern zu besetzen und da ich bereits im Viertelfinale angesetzt war, ist die Chance auf ein Halbfinale deutlich geringer. Trotzdem, und da sind wir Schiedsrichter nicht anders als Spieler, Teams und Trainer, will jeder ins Finale!
Nach der Vorrunde hatte ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und mich auf den Weg zur berühmten Christus-Statue, einem der „Neuen Sieben Weltwunder“, gemacht. Über die Verkehrs- und Transportproblematik eines Olympia-Gastgebers hatte ich ja bereits geschrieben und so konnte es mich auch nicht überraschen, dass ich gute drei Stunden vom Hotel bis zu dem 20km entfernten, auf über 700 Metern Höhe stehenden „Christo Redentor“ gebraucht habe. Doch das war es wert! Neben dem imposanten Bauwerk als solches ist der Blick über Rio unbezahlbar und Reiseführer sprechen sogar davon, dass dieser mit der Kamera auch nur ansatzweise wiedergegeben kann. Ich habe es dennoch mal versucht. Natürlich sind dort während der Spiele Menschenmassen, soweit das Auge blicken kann, dennoch konnte ich es genießen und habe es bei 30 Grad keine Sekunde lang bereut. Für die ganz Gläubigen gibt es einen Weg hinauf, den man zu Fuß gehen kann (mind. zwei Stunden auf steilen Serpentinen). Für die nicht ganz so Gläubigen gibt es einen Shuttle bis ca. 200m unterhalb der Statue. Für die Ungläubigen, so wie mich und – der Fülle der Zahnradbahn nach zu schließen, die hoch bis zum Gipfel fährt – noch viele zehntausend andere Besucher, gab es eine bequeme Sitzgelegenheit auf der zwanzigminütigen Fahrt durch urwaldähnliche Wälder. Beim Thema Organisation hatte ich aufgrund des Massenandranges mit dem Schlimmsten gerechnet, aber auch hier war alles sehr gut organisiert und Personal in camouflage-farbenen Anzügen gaben Sicherheit, so dass man oben auf dem Gipfel auch viele Sportler der Spiele sehen konnte.
Nach dem üppigen Goldregen der deutschen Olympia-Mannschaft in den letzten Tagen, möchte ich heute mal beim deutschen Haus vorbeischauen. In der Regel kehren dort die Medaillengewinner des Tages ein (und heute morgen gab es bereits Gold im Kajak) und natürlich auch viele andere Sportler, neben der bei solchen Events üblichen Politprominenz. Eigentlich hatte ich dieses Vorhaben schon vor zwei, drei Tagen in Angriff nehmen wollen, jedoch überschattete der tödliche Unfall des Kanutrainers alles andere und Freude war mit Sicherheit an diesem Tag im deutschen Haus nicht zu erwarten. Es ist natürlich nach wie vor sehr, sehr traurig, trotzdem glaube ich, dass man einmal im deutschen Olympia-Haus gewesen sein sollte.
Mich erreichte eine Nachfrage aus meiner Heimat in Brandenburg deren Beantwortung ich hiermit Rechnung trage J. Basketball ist, wie fast alle Teamsportarten, über die gesamte Dauer der Spiele im Olympiapark vertreten und so auch die Schiedsrichter. Bei uns im Hotel (3-Sterne Ramada) sind keine weiteren Schiedsrichter von Teamsportarten eingecheckt, dafür wechseln sich die Schiedsrichter anderer Sportarten, welche nur ein paar Tage andauern, hier ab. Momentan sind hier Schiedsrichter oder auch Punktrichter vom Judo und Ringen untergebracht. Der olympische Golf-Parcours befindet sich direkt gegenüber unserem Hotel, so dass auch der ein oder andere Golf-„Schiedsrichter“ (weiß gar nicht, wie man diese Offiziellen bezeichnet) sieht. Da wir alle uns mehr oder weniger ständig über den Weg laufen, tauscht man sich natürlich auch untereinander aus. Die „olympische Familie“ hat mit uns Offiziellen gar nichts zu tun – das sind in der Regel Mitglieder des nationalen und internationalen olympischen Komitees. Zu den Zusammensetzungen der Schiedsrichter-Crews (auch das eine Nachfrage) kann ich nicht viel sagen, da diese einzig und allein dem „Head of the Refereeing Department“ obliegt. Ob diese einer gewissen Strategie oder dem Zufall unterliegen, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen und möchte ich auch gar nicht.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Damen- und dem Herrenturnier? Nun, die Damen spielen deutlich langsamer, physisch weniger intensiv und sehen meistens besser aus, bei den Herren ist es genau umgekehrt – also eigentlich wie in Brandenburg auch!
Es ist Zeit sich auf den Weg zu machen, um sich die Damen Halbfinals anzuschauen (übrigens mit deutscher Schiedsrichter-Besetzung in Form von Anne Panther). Einen siebten und letzten Teil wird es noch geben, also bis demnächst…
Euer Robert